Computerliebe

Computerliebe

Meine erste Freundin hatte ich Ende der 80er. Ich war so dreizehn und sie hieß Amiga 2000. Ich entschuldige das Wortspiel. Aber wir haben wirklich sehr viel Zeit miteinander verbracht.

Es geht um Computer. Und Computermusik. Kraftwerk komponierte die Computerliebe. Meine begann mit einem Philips Videopac G7000. Das war eine reine Spielekonsole, die schon einige Highlights zu bieten hatte. Revolverhelden zum Beispiel. Mein Vater arbeitete so lange ich denken kann für Philips, so war es naheliegend, dass danach ein richtiger Heimcomputer Einzug fand, ein Philips VG-8000. Das war die große Zeit der MSX-Computer. Dazu laß man die MSX Revue.

Heutzutage erscheint es bizarr, dass ich stundenlang Quellcode-Listings aus dieser Zeitschrift abgetippt habe. Endlose DATA Zeilen. Wenn man Pech hatte, war da auch noch ein Druckfehler irgendwo, und man musste auf die nächste Ausgabe warten mit der Korrektur. Das war für mich aber keine Option, da ich die abgetippten Programme nicht speichern konnte, ich hatte kein Diskettenlaufwerk oder Datasette (an Festplatten war gar nicht zu denken). Irgendwann musste ich den Computer schweren Herzens ausschalten, und dann war das Programm wieder weg. Ich war schon ein wenig seltsam.

Als nächstes kam der legendäre Commodore 64. Auch wenn ich hier in erster Linie spielte und endlose Stunden in den Dungeons von Skara Brae verbrachte, begann hier eine Faszination für Computermusik. Großmeister wie Rob Hubbard verbrachten kleine Wunder mit ihren Melodien, die sie aus dem SID Soundchip herausholten. Einer meiner Favoriten ist nach wie vor die Titelmelodie von Delta.

Rob ist heute noch aktiv und hat viele Musiker und Bands beeinflusst, hier eine Version des Delta Songs von Uncle & the Bacon.

Ein Song von Rob muss noch sein, die Titelmelodie von Commando.

Eine weitere Größe der Computermusik trat zu jener Zeit auf die Bühne - Chris Hülsbeck. Soundtracks wie die von Katakis und The Great Giana Sisters sind bis heute legendär.

Das WDR Funkhausorchester unter der Leitung von Evan Christ führte den Soundtrack von The Great Giana Sisters am 24.08.2018 in der Kölner Philharmonie auf.

Chris macht heute noch großartige Musik, man kann ihn bei Patreon unterstützen und dort seine neuesten Stücke als erster hören. Er lebt und arbeitet übrigens in einem Wohnmobil, mit dem er durch die USA fährt. Ein wenig fühle ich mich verbunden.

Nach dem C64 kam dann endlich der Amiga 2000. Dieser Computer war das großartigste Stück Technik, dass ich mir vorstellen konnte. Besonders der Sample-Sound auf vier Kanälen hatte es mir angetan. Das wollte ich auch machen. Und so wurde ich einer der sehr wenigen, die ein Original von Karsten Obarskis The Ultimate Soundtracker besaßen, der erste Tracker, der 1987 rauskam. Das Programm wurde sehr schnell ein riesiger (raubkopierter) Erfolg (vor allem in der Demoszene), und es gab diverse Nachfolger, bis in die heutige Zeit. Die Dokumentation Trackers: The Sound of 16-Bit sollte man sich hier unbedingt ansehen.

Chris Hülsbeck war übrigens auch auf dem Amiga ganz groß.

Ich hatte also angefangen, Musik mit Soundtracker zu machen. Und wie es sich gehörte, wurde man Mitglied einer Gruppe der Demoszene. Ich war zum größten Teil bei Agnostic Front, das war eine lustige Zeit, wenn auch ein wenig durchgeknallt. Software (geklaute) musste natürlich ausgetauscht werden, und da es noch kein Internet für Normalbürger gab, nutze man Modems und BBS (Mailbox). Ich musste lange sparen, um mir ein ZyXEL 14.4er Modem für 1000 Mark leisten zu können. Das war natürlich nicht postzugelassen und blockierte die Telefonleitung, aber es war der magische Draht in die Welt der global kommunizierenden Computer. Und man konnte Dateien austauschen ohne zur Post rennen zu müssen und nachzusehen, ob etwas für seine PLK angekommen ist. Spreader zu sein war eh nicht der renommierteste Job in der Demoszene, und ich wollte ja Musik machen. Das machte ich dann auch, und es gab auch ein paar Demos, die die Musik einbauten. Wir waren nie eine große Nummer, aber das war nicht so wichtig.

Dank meines großartigen Kollegen Dataline konnte ich kürzlich ein paar Disketten von damals digitalisieren, und ein paar alte Songs reanimieren.

Weitere findet man hier. Von den Demos hab ich nur noch eins gefunden, das entstand mit der Gruppe Starlight. Sie ist leider etwas lame, wie man zu sagen pflegte. Lamer, das war das schlimmste Schimpfwort, dass wir kannten.

Es ist ein wenig seltsam, dass ich irgendwie überhaupt keine Photos von dieser ganzen Zeit habe. Heutzutage photographiert man ja ohne Unterlass alles. Es gab damals auch noch keine Begriffe wie Nerd oder Geek. Alles eh völlig überladene Begriffe. Heute ist sowas hip. Besonders in Berlin. Man setzt sich im Sommer mit Pudelmütze und MacBook ins St. Oberholz und liked den Sonnenschirm vom Schwager auf Insta. Schon ist man ein hipper Nerd. Früher war das nicht so einfach. Man musste schon irgendwas an Technik lieben. Und damit war man nicht angesagt. Aber das war einem egal. Vielleicht war man Computerkid. Es hätte auch seltsam ausgesehen, sich mit einem Amiga 2000 in ein Café zu setzen. Latte Macchiato mit Hafermilch kannte ja auch noch keiner. Und Internet gab es auch nicht. Und wenn man Kontakt mit einem fremden Computer hätte aufnehmen wollen, hätte das Café nicht mehr telefonieren können. Man wäre sehr schnell rausgeflogen, auch wegen dem langen Kabel.

Eine weitere wichtige Zeitschrift dieser Zeit war die Happy Computer. Nicht-Computerkids machten dann gerne den Witz, man solle doch lieber die Happy Weekend kaufen. Hat ja auch was mit Liebe zu tun, entfernt. Wikipedia sagt, die Happy Weekend gibt es immer noch. Ich bin ja jetzt öfters bei Raststätten, das muss ich überprüfen. Die Happy Computer gibt es natürlich schon lange nicht mehr. Computerliebe ist doch vergänglicher als fleischliche Liebe wie es scheint.

Aber wenn man will kann man auch heute noch Tracker nutzen zum komponieren. Und eine Demoszene gibt es auch immer noch. Vielleicht sollte ich mal wieder hingehen, irgendwann.

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