Google Maps Rezensionen sind Bullshit

Google Maps Rezensionen sind Bullshit

Wenn man heutzutage nach einem Restaurant sucht, oder einem Arzt, ist Google Maps wohl für die meisten Menschen die erste Wahl. Man erfährt nicht nur, wo sich welche befinden, man kann sich auch gleich ansehen, wie viele Menschen das Restaurant oder den Arzt wie bewertet haben. Dazu kann man als Kunde bis zu fünf ★ vergeben, und optional einen Kommentar dazuschreiben. Diese Rezension kann dann der Eigentümer des Restaurants oder der Arzt wiederum kommentieren, wenn er will, und andere Benutzer können die Rezension liken. Das funktioniert nicht nur für Restaurants und Ärzte, sondern für jedes Geschäft, das auf Maps existiert ist, also so ziemlich alles.

So weit, so gut, könnte man denken. Die Sache hat nur gleich mehrere Haken. Durch die Dominanz von Google entscheiden unzählige Leute via Maps wo sie essen gehen, wo sie einkaufen, und so weiter. Google Maps hat damit einen entscheidenden Einfluss auf den kommerziellen Erfolg, und kann maßgebend dafür sein, ob das Dinner ein Fest oder ein Reinfall wird. Bewertungssysteme sind extrem relevant geworden. Daher ist es äußerst wichtig, dass so ein System fair für beide Seiten ist, den Anbieter und den Kunden. Das heißt zum Beispiel:

  1. Der Anbieter sollte in der Lage sein, nachweisbar falsche Rezensionen löschen zu lassen.
  2. Der Kunde muss sich darauf verlassen können, dass positive Rezensionen nicht gekauft und
  3. negative Rezensionen nicht gelöscht werden (sofern sie nicht unter 1. fallen)

In diesem Artikel geht es um den dritten Punkt.

Die These ist, dass es mittlerweile möglich ist, jedwede negative Bewertung problemlos durch den Anbieter löschen zu lassen, egal ob sie wahr oder falsch ist. Damit wird Google Maps ungeeignet, um sich über die Qualität eines Anbieters zu informieren, da die Rezensionen ein beliebig geschöntes Bild abgeben.

Ich selbst war ab und zu bei Google Maps als Rezensent aktiv, Google versucht dies auch sehr zu pushen, indem man Titel wie "Local Guide" bekommt, ständig durch die App aufgefordert wird, zu bewerten, und gelobt wird mit Sätzen wie "Glückwunsch! Du gehörst zu den obersten 10% der Restaurantbewerter!". Wow. Dazu dann noch der übliche Gamificationscheiß. Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich 75 Rezensionen verfasst und 32 Fotos hochgeladen, die ca. 350000 mal betrachtet wurden. Ich weiß nicht, ob das viel ist, aber ich werde meine Aktivitäten aus den hier dargestellten Gründen jetzt einstellen, und alles soweit löschen, wie es noch geht. Wer Daten will, muss freundlich sein.

Um meine obige These zu unterstreichen, hier zwei Beispiele aus meiner eigenen Erfahrung.

Die Torbar in Berlin

Die Torbar in der Torstraße in Berlin schmückt sich als ein Restaurant der Extraklasse unter Palmen. Okay. Ich habe dann dort auch mal mit einer Freundin gegessen, und es war gelinde gesagt wenig gut. Dafür schön teuer und schlechter Service. Nicht weiter wild, aber dafür sind Rezensionen da, und so entstand dann auch diese Google Maps Rezension:

★★
Leider ein weiterer Laden in Mitte bei dem Hipness wichtiger ist als Qualität. Die kleine Platte Meeresfrüchte für 58 EUR war noch durchaus ok. Die Seezunge für 34 EUR (ohne Beilage) war ein trauriger liebloser Lappen, und die Crêpes für 14 EUR konnte man essen, sahen aber nicht danach aus.
Crêpes in der Torbar, Berlin

Anscheinend konnten die Betreiber der Torbar dies nicht aushalten, anstatt sich mündig mit einem Kommentar dazu zu äußern, oder die Rezension einfach zu ertragen, hat man die ganze Rezension von Google einige Monate später entfernen lassen. Am 1o. Oktober 2024 bekam ich eine Email von Google, die behauptet, meine Rezension sei "anscheinend" Verleumdung.

Starker Tobak, was Google mir da vorwirft, laut Wikipedia:

Verleumdung bedeutet im deutschen Strafrecht, dass jemand über eine Person gegenüber einem Dritten ehrverletzende oder kreditgefährdende Behauptungen aufstellt, obwohl er weiß, dass die Behauptungen unwahr sind.

Einfach gesagt, Google behauptet, ich würde bewußt lügen. Also vermutlich hat das die Torbar behauptet, und dann schickt es einem Google weiter. Wenn ich jemanden der Verleumdung bezichtige, obwohl ich weiß, dass dies falsch ist, dann müsste doch gerade das Verleumdung sein. Wahrscheinlich kann man das aber problemlos machen, solange es nicht öffentlich ist, und man "verstößt anscheinend" dazuschreibt. Oder irgend so ein juristischer Taschenspielertrick. Das Ganze hier hat schon auch eine sehr alberne, infantile Note. Aber mit Gschmäckle, Verleumdung ist in Deutschland eine Straftat:

Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Was aber bitte ist denn an der Rezension verleumdend? Nichts ist hier "wider besseres Wissen" geschrieben, die Preise sind korrekt, das Photo auch, und der Rest ist meine Meinung, verfasst im absolut üblichen Jargon einer Kritik. Übrigens alles inklusive Zeugen. Dafür sind Rezensionen da, um Meinungen zu äußern. Ich habe schon wesentlich deutlichere Restaurantkritiken gelesen, im Internet, in Zeitschriften, in Tageszeitungen. Und das ist gut so, das ist die Idee der Kritik. Die schmeckt natürlich nicht jedem, aber deswegen wird man (zumindest in Deutschland) nicht ins Gefängnis gesteckt. Leider ist das bei Google noch nicht angekommen, wie es scheint.

So läuft das jetzt wohl, wenn zum Beispiel einem Restaurantbetreiber eine Rezension nicht passt, kann er diese anscheinend per Klick entfernen lassen, behaupten, das sei Verleumdung, und Google holt dann als Handlanger unterstützend die Strafttatskeule raus, um genau die Leute einzuschüchtern, die Google mit ihren Rezensionen und Daten dabei helfen, ein globales Bewertungssystem anzubieten. Glückwunsch, Google.

Man kann sich dann bei Google zu der Sache äußern, das habe ich dann auch getan, am 23. Oktober 2024:

Dies ist nicht richtig, es handelt sich hierbei um keine Verleumdung. Die Rezension und das dazugehörige Photo sind authentisch und unter Zeugen entstanden. Dies gilt auch für die angegebenen Preise. And keiner Stelle wird jemand oder etwas verleumded.

Ich bitte sie daher darum, die Rezension wieder aktiv zu schalten. Wenn Betreiber eines Restaurants Rezensionen, die ihnen nicht gefallen, einfach abschalten lassen können, indem man sie als "Verleumdung" deklariert, sind Rezensionen ad absurdum geführt. Auf Wunsch nenne ich Ihnen gerne Zeugen.

Am selben Tag schreibt Google zurück:

Google wird derzeit keine Maßnahmen ergreifen. Der betreffende Inhalt verstößt anscheinend gegen Folgendes:
Rechtsprechung: Deutschland
Verstößt anscheinend gegen: Defamation

Google meint hier vermutlich Diffamierung. Oder man wollte es diesmal auf Englisch sagen. Und damit ist die Sache für Google dann auch erledigt, weitere Kommunikation ist nicht mehr möglich. Das ganze System scheint nur einen einzigen Zweck zu haben: Empfänger von schlechten Rezensionen können diese problemlos löschen lassen, und wenn Google keine Lust hat, kann man daran auch nichts ändern. Alles absolut willkürlich. Ein weiteres Beispiel.

Die Augenarztpraxis Margarete Pasternak in Haan

Mein Vater war in der Augenarztpraxis Margarete Pasternak in Behandlung, wegen altersbedingter Makuladegeneration. Diese Behandlung war nicht ganz trivial, da mehrere Ärzte involviert waren. Sie ging daher über mehrere Wochen. Während diese Behandlung noch nicht abgeschlossen war, wurde mein Vater informiert, dass man jetzt nur noch Privatpatienten behandeln werde, er solle sich einen anderen Arzt suchen, der den Fall weiter behandelt. Ich will das hier jetzt nicht weiter moralisch diskutieren, nur soviel, ich hätte erwartet, dass man mit einem Funken Anstand zumindest noch die laufenden Fälle zu einem guten Ende bringt. Also hier meine Rezension:


Die Behandlung meines 84 jährigen Vaters wurde abgebrochen, da nur noch Privatpatienten behandelt werden. In welcher Welt leben wir mittlerweile?

Man kann schon ahnen, was kommt. Google behauptet am 10. Dezember 2024 es wäre Verleumdung. Ich sage zu Google, das stimmt nicht. Es passiert nichts. Am 3. Januar 2025 frage ich nach. Google antwortet, ich solle das doch alles mal belegen. Am 6. Januar schreibe ich Google die Sache nochmal ausführlich auf. Dann die Überraschung! Am gleichen Tag schreibt Google:

Wir haben Ihre Beschwerde erhalten und geprüft. Google hat entschieden, derzeit [die] Inhalte zu reaktivieren.

Für einen kurzen Moment kehrte mein Glaube an die Sache zurück. Der hielt aber nur zwei Tage. Am 8. Januar wird die Rezension wieder gesperrt. Es sei Verleumdung.

Bild generiert von Gemini Advanced

Es ist also völlig sinnlos, Google zu erklären, warum eine Rezension berechtigt ist (warum muss ich das eigentlich machen und nicht der Anbieter erklären, warum etwas verleumdend sei?). Wenn man sich nämlch diese Mühe macht, klickt der Anbieter einfach wieder auf die Verleumdungstaste, und das Spiel geht von vorne los. Ein Affenzirkus. Der ganze "Prozess" den Google hier aufgesetzt hat, ist dysfunktional, dient einseitig dem Anbieter, und schadet den Kunden. Zudem ist er absolut unverhältnismäßig, da indirekt mit Straftatsbeständen und damit Gefängnisstrafen gedroht wird.

Ich habe dann wieder bei Google nachgehakt und Google spielt das Spiel von vorne, ich solle das doch alles mal begründen. Vielleicht haben die einen Bot geschrieben, der einem immer wieder sinnlose Emails schickt. So ein bisschen im Bureaucracy Stil. Aktuell lasse ich anwaltlich prüfen, ob man hier noch was machen kann. Sobald sich was ergibt, werde ich diesen Beitrag entsprechend ergänzen.

Was kann man denn nun machen? Es gibt diverse Bewertungsportale, diese sind aber oft spezialisierter und daher auch weniger bekannt und relevant als Google. Für Restaurantbewertungen fand ich schon immer Foursquare die bessere Wahl, die reduzieren sich aber gerade auf ihre Swarm App, und da ist noch ein wenig unklar, wo die Reise hingeht, zumindest was Rezensionen angeht.

Man muss sich wohl damit abfinden, dass Google Rezensionen nur noch eine sehr eingeschränkte Aussagekraft haben. Wer es sich leisten kann, klickt sich seine Rezensionen schön. Vielleicht ist es eine gute Idee, nur noch Sterne zu vergeben, und keinen Bewertungstext mehr zu verfassen. Aber vielleicht kann man auch schon die reine Tatsache, nur einen Stern bekommen zu haben, als übelste Verleumdung bei Google anprangern. So langsam ist ja alles, was nicht ausnahmslos schmeichelt, ehrverletzend. Erwachsene werden zusehends infantiler, unfähiger, mit Kritik umzugehen. Wer mich nicht liebt, macht mich zum Opfer. Man muss nicht alles aushalten, Hetze im Netz zum Beispiel. Und da ist es gut und wichtig, dass Firmen gezwungen werden, diese konsequent zu entfernen und zu verfolgen. Aber wenn selbst der mittelmäßige Crêpe einer Hipsterbar zur Zensur der Meinung führt, dann sind wir irgendwo falsch abgebogen.

Bei der Entfernung von Rezensionen ist die Ehrverletzung natürlich nur ein vorgeschobener Grund. Es geht um die Kreditgefährdung. Man möchte gerne seine weiße Weste (oder Kittel) behalten, egal, ob die einem steht, oder nicht. Damit der Rubel weiter ordentlich rollt. Ich gönne es auch jedem, unfassbar reich zu werden. Aber dann bitte auch mit der entsprechenden Leistung, und einem Funken Anstand. Das muss sich übrigens nicht ausschließen. Im Gegenteil. For it is in giving, that we receive. Passend dazu gibt es heute einen schmackhaften Klassiker von D.O.A. zum Dessert.

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